Speed Metal und eine Überdosis Kultur

Seit Simon seinen interdimensionalen Wandschrank zuletzt benutzt hat, ist eine Weile vergangen. Damals war er auch noch etwas pixeliger im Gesicht, aber den dämlichen Hut hatte er schon. Man kann auch nicht sagen, dass Simon der Zauberer erwachsener geworden wäre, er ist noch genauso schlampig und tölpelig wie eh und je – dennoch ist das Märchenland (schon wieder) in Gefahr und wie es das Schicksal so will, ist unser charismatischer Held der einzige der etwas dagegen machen kann.

Silver Style Entertainment hat wirklich geniale Arbeit geleistet. Der Spieleinstieg ist dermaßen direkt, dass man nach der Installation und dem Starten des Spiels quasi sofort loslegen kann. Keine lästigen Konfigurationen, kein Herumklicken in irgendwelchen verwirrenden Menus einfach loslegen. Seid übrigens gewarnt, Leute die nicht alle drei Vorgängertitel gespielt haben, bekommen ihr Fett weg – am Anfang wird man zwar in gewissen Dinge eingewiesen, Simon schwelgt sozusagen in Erinnerungen, aber das ändert sich schnell. Simon the Sorcerer 4 räumt in gewohntem Stil gnadenlos mit populär- und hochkulturellen Elementen auf. Dass die Recken von Carsten Strehse ein Talent dafür haben, solltet ihr spätestens seit The Fall: Last Days of Gaia wissen. Der Hauptfeind ist neben den Märchenelementen die Rollen- sowie Computerspieler-Gemeinschaft, aber auch neuere kulturelle Phänomene wie Harry Potter und Klassiker, darunter besonders die griechische Mythologie kommen nicht zu kurz.

Natürlich interagiert Simon wieder brav mit seiner Umwelt (und auch mit dem Spieler vor dem Bildschirm) und spart keineswegs mit Seitenhieben auf Adventureklischees. Beispielsweise wird der im Spiel auftauchende obligatorische Brückentroll wegen seiner untypischen Verhaltensweise aufs Schärfste kritisiert – der Kerl ist einfach zu freundlich. Auch auf die Zweifel des Protagonisten, er hätte wohl keinen Gewebeschein, weiß dieser prompt eine Antwort. Klar, ein echter Adventure-Brückentroll lässt sich von einem dahergelaufenen Magier mit dümmlicher Mütze nicht aus dem Konzept bringen – aber die Lösung ist dank der schlüssigen Rätsel schnell gefunden.

Zwar verfügt Simon the Sorcerer – Chaos ist das halbe Leben nur über einen Schwierigkeitsgrad, aber dieser ist moderat gewählt – mit etwas Adventureerfahrung geht’s, auch wenn’s ab und an etwas kniffliger wird, recht zügig voran. Für Neueinsteiger oder Gelegenheitsspieler, hält das Spiel zudem ein Journal bereit in dem automatisch alle zu erledigenden Aufgaben verzeichnet werden. Zusätzlich bekommt man dort auf Wunsch hilfreiche Tipps und Denkanstöße, sollte man bei einer Aufgabe mal komplett auf der Leitung stehen.

Wenige Minuten nach Beginn des Spiels stellt sich heraus, dass das Märchenland offenbar doch nicht in Gefahr ist oder zumindest weiß noch keiner etwas davon. Nur das Verhalten der anderen Personen Simon gegenüber ist etwas seltsam. Durch ein anfängliches Gespräch mit Alix wird der Held restlos davon überzeugt, dass im Märchenland ein böser Doppelgänger sein Unwesen treiben muss. Ein richtig durchtriebener Kerl, der Liebesbriefe nach Farben sortiert und durchnummeriert in Klarsichtfolien abheftet. Dieser kulinarische Bastard verachtet sogar Anchovis-Pizza mit Sauerkirschen!

Liebe Leser, wir haben hier ganz einfach ein echtes Adventure vor uns liegen. Seit langem wieder ein Spiel, das mir richtig – ich meine so richtig – Spaß gemacht hat. Hätte ich nicht so viele andere Dinge zu tun, würde ich es sofort nochmal spielen. Seltsamerweise erinnern einige Dinge bzw. Stereotypen eher an Monkey Island als an die drei Vorgänger, vielleicht bin ich darum so begeistert? Trotz dieses seltsamen Gefühls ist der vierte Teil ein echter Simon the Sorcerer-Teil, wie bereits erwähnt ist einfach alles so typisch und dennoch neu. Obwohl alles in 3D gehalten und mit einer angenehmen Musik untermalt ist, kommt trotzdem das Spielgefühl eines 15 Jahre alten Adventures mit pixeliger Grafik und Midi-Gedudel rüber. Mit anderen Worten: wer jetzt nicht sofort sein Sparschwein plündert und einkaufen geht (oder im nächsten Online-Shop eine Bestellung aufgibt) dem ist nicht mehr zu helfen. Wenn kein Geld mehr übrig ist, könnt ihr euch ja um eine Stelle im "Tempel des Ordens der Brüder und Schwestern, welche die Verstorbenen in der Totenwelt verehren, auch wenn die davon nicht mehr viel mitbekommen" bewerben …

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