FIFA 13 – Spaß an den Schmerzen

So wird FIFA 13 im Prinzip bei euch nie aussehen, weil aus der Perspektive der Presse-Screenshots kein Mensch spielen könnte

Warum tut man sich das an? In seiner Freizeit noch dazu. Die Demütigung. Den Frust. Das Versagen. Wieso? Ich spiele FIFA 13 auf dem härtesten Schwierigkeitsgrad und ohne Steuerungshilfen. Das ist eine Idee, die mir bisher noch nie gekommen ist. Im letzten Jahr hat mein Bruder dann plötzlich damit angefangen, FIFA 12 so zu spielen. Wir saßen in seinem Wohnzimmer, als er sagte, dass er mittlerweile schon besser sei, als wenn der Hilfen an hätte. Ich hielt ihn für verrückt. Aber diese Idee hat sich in meinem Kopf in einen Kokon eingenistet. Und als ich dann die 13er-Ausgabe von FIFA in die Xbox schob, schlüpfte sie ganz plötzlich. Ja. Ich habe FIFA 13 nicht eine Sekunde mit Hilfen gespielt.

Das tut richtig weh. Wenn ich mit meinem FC Liverpool gegen Wiener Neustadt spiele, setzte es schon mal fünf Gegentore. Wieder und wieder. Die Gegner laufen durch meine schlecht koordinierte Abwehr, wie Lionel Messi durch … nun … durch fast jede Abwehr die es gibt. Es wäre völlig übertrieben zu sagen, dass ich mit jedem Spiel dazulerne. Das tue ich nicht. Immer wenn ich es schaffe, nur knapp zu verlieren, setzt es unmittelbar hinterher wieder eine vernichtende Erfahrung. Der Lernprozess fällt mir sehr schwer. Aber ich habe mir vor einigen Wochen das Kreuzband gerissen, deshalb habe ich Zeit, um FIFA zu spielen.

Online ist super, online ist toll, online mach ich nicht mit

Ich ignoriere die ganzen Spielmodi des Programms. Auch weil mich dieser Online-Zwang mittlerweile nervt. Einfach nur auf Liga, Premier League und Start zu drücken, scheint zu geradlinig – zu einfach zu sein. Heutzutage braucht es Live-Infos und Live-Updates und einen Internetzugang und was weiß ich noch alles, wenn man einfach allein eine Saison starten will. Meine Xbox ist nicht am Internet. Ich zahle schon für meine Flatrate genug, tue das nicht auch noch um über meine Konsole im Web spielen zu können. Es gibt natürlich ein paar Offline-Möglichkeiten in FIFA 13 (offizielle Cups kann man recht problemlos starten, und Ligen kann man sich immer noch selbst zusammenstellen), aber ich spiele ohnehin am Liebsten mit Freunden und allein einfach nur ein Freundschaftsspiel zwischendurch – oder eines nach dem anderen.

Und dann macht es „zooom“. Es muss die zwanzigste Begegnung sein, als es passiert – ein Unentschieden. Mein erster Punkt. Gegen ein Premier League-Team. Und im Elfmeterschießen, obwohl ich anfangs nicht verstehe, wie man schießt und wie der Tormann sich wirft – gewinne ich das Match sogar. Dopamin überströmt mein Nervensystem – ich habe keine Ahnung, ob diese Metapher irgendeinen biologischen Sinn ergibt, aber … welch Befriedigung!

Alte Erfolge, neue Probleme

Grafisch ist das neue FIFA natürlich abermals spitze, auch die Kollisionsabfragen wurden nochmal verfeinert und schaffen nun optisch und mechanisch realistischere Abläufe.

Aus meinem Hinterkopf tönt ein Deja vu. Da war doch etwas! Ich erinnere mich, im Vorjahr ähnliches gefühlt zu haben, als ich nach zahlreichen Spielen Dresche endlich das „Tactical Defending“-Feature kapiert habe. Diesen enormen Simulationssprung von FIFA, der dazu geführt hat, dass ich nach einem geschätzten Jahrzehnt von der Pro Evo-Serie zurück zum EA-Game gewechselt bin. Und wie vor einem Jahr ertappe ich mich immer noch dabei, das Spiel nicht so ernst zu nehmen, wie es das von mir erfordert.

Ich versuche oft immer noch sinnlos auf der Sprinttaste zu bleiben und vorzustürmen, statt geduldig die KI zu umspielen. Ich schlittere manchmal immer noch grätschend auf den Gegner zu, statt seine falsche Bewegung abzuwarten, um ihm den Ball abzujagen. Es ist brutal, wie das, was jahrelang gut funktioniert hat, auch dann noch viel zu lange unsere Handlungen prägt, wenn es nicht mehr die richtige Vorgehensweise ist.

Die Zeiten ändern sich

Fußballspiele haben sich enorm gewandelt. Mit dem naiven Ballstups-Spiel Kick-Off, der Wunder-Fallrückzieher-Orgie Nintendo World Cup am Gameboy oder auch den damals gefühlt enorm großartigen Spielhallenkicks hat das heute alles nichts mehr zu tun. Fußballcomputerspiele sind heute kein unschuldiger Spaß mehr, kein stumpfes Kick & Rush. Es sind knallharte Simulationen, die man erst einmal zu beherrschen lernen muss. Sogar die, die einen auf lässig machen.

Diese Entwicklung ist nicht ganz neu, aber seit der vergangenen Saison scheint sie sich doch deutlich intensiviert zu haben. FIFA 13 unterscheidet sich nicht wesentlich vom Vorgänger. Es ist bei weitem kein so großer Sprung. Klar, es hat den einen neuen Kniff da und den anderen dort. Aber eine Revolution ist diesmal ausgeblieben. Den wesentlichen Unterschied zum Vorjahr habe ich mir diesmal mit dem Umstieg auf die Hilflosigkeit selbst beschert.

Ein Teil von mir scheint auf Schmerzen zu stehen. Anders ist es nicht zu erklären, warum ich diese Wandlung von Fußball-Games mag. Wenn man will, kann man all die Steuerungshilfen natürlich einschalten und den Schwierigkeitsgrad runter drehen. Dann ist FIFA 13 fast so deppeneinfach, wie es Fußballspiele eh und je waren. Und dann kann man sich vielleicht auf die schöne Grafik mit ihren netten Animationen, oder die schöne Stadionatmosphäre mit ihren einigermaßen individuellen Schlachtgesängen besser konzentrieren.

Aber wenn diese Idee, alles selbst zu kontrollieren, was sich kontrollieren lässt, erst einmal geschlüpft ist, dann fühlt es sich nicht mehr so an, als würde man mit diesen Unterstützungen das richtige Spiel spielen. Das wäre nicht jenes, das die Entwickler sich für mich ausgedacht haben. Das ist wie ein Shooter mit Wallhack oder ein Strategiespiel mit Ressourcen-Cheat. Das wäre die runtergeschraubte Version. Die für Weicheier. Das lässt der Gamerstolz in meiner Brust nicht zu, der sonst ja eigentlich gar nicht so stark ist. FIFA kitzelt den verschlafen Skill-Gamer in mir wach, der sonst immer hinter jenem Gamerteil versteckt ist, der Frust meidet und am liebsten die Story, den Witz und die Atmosphäre von Spielen genießt. Aber hier meldet sich aus irgendeinem Grund der Ehrgeiz und Sportsgeist und deshalb stolpere ich unmittelbar nach dem befreienden ersten Remis wieder in das nächste Debakel. Ich bin frustriert. Ich bin gedemütigt. Ich fühle mich wie ein Versager. Vom der anonymen CPU vernichtet. Und dann starte ich das nächste Spiel, wie es nur ein Verrückter tun kann.

Du bist das Wunder

Das Wunderbare, wenn man FIFA auf diese Weise spielt ist, dass so ziemlich jeder Fehler meiner Mannschaft auch wirklich meine Schuld ist. Der Computer hat den Pass nicht an eine andere Person gespielt, als ich das wollte. Ich war das. Ich fühle nicht das Bedürfnis, den Controller an die Wand zu werfen, denn der kann nichts dafür. Nur ich kann es beim nächsten Mal besser machen. Mit diesem Versagen kommt auch die Freude. Jeder Pass, der ankommt, ist auf meinem Mist gewachsen. Ich hämmere nicht mehr nur sinnlos auf eine Taste, die ein magisches Event produziert, sondern durchdenke und kontrolliere jede einzelne Ballberührung. Jedes Tor das ich erziele, habe ich mir ehrlich verdient. Dadurch wird es umso befriedigender als damals bei FIFA 98, wo man in fünf Minuten Spielzeit lockere 25 Tore mit dem immer gleichen Schmäh erzielen konnte.

Und tatsächlich: Am Ende hatte mein Bruder recht. Man kann tatsächlich irgendwann schönere Kombinationen erzwingen, präzisere Aktionen erspielen, natürlichere Tore erzielen. Die Pässe werden genauer, die Schüsse treffen das Tor, die Flanken segeln in die Gefahrenzone. Es ist ein bisschen wie Fahrradfahren. Mit den Stützrädern ist es ganz lustig, und wenn man sie runtertut, prackt es einen sicher das ein oder andere Mal auf die Nase. Aber versucht mal, euch mit Stützrädern in die Kurve zu legen oder eine Bergtour damit zu machen. Das sind belohnende Erfahrungen, die es erst nach den Schmerzen gibt.

Ich spiele FIFA nun seit einigen Wochen. Gegen den Computer kriege ich immer noch ab und zu Prügel. Das liegt auch daran, das FIFA die Defensive stark bevorzugt und ein Computer da einfach seltener Fehler macht, als ich menschlicher Versager. Und das wäre natürlich ein Punkt, den EA Sports für FIFA 14 mal ins Auge fassen muss. Aber ich habe ein paar Freunde, die manchmal auf einige Matches vorbeikommen und das Spiel auch so spielen wie ich. Und unsere Duelle sind jetzt intensiver als in der Vergangenheit. Und dort, auf der Couch zu zweit, passieren in Wahrheit die einzigen Niederlagen, die weh tun. Und dort erarbeitet man die einzigen Siege, die zählen.

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