Eat this EA!

Seien wir mal ehrlich: Warum spielen wir eigentlich Rennspiele? Anders gefragt: worin liegt der Reiz, sich hinters virtuelle Lenkrad zu klemmen und wie ein geisteskranker Selbstmordattentäter drauf los zu fahren? Nein, liebe Simulationsfetischisten und Grand-Prix-Legends-Verehrer, ein höhes Maß an realistischem Fahrverhalten ist sicherlich nicht dafür verantwortlich. Es, das Fahren, muss sich nur irgendwie nach Auto anfühlen. Wer Arcade-Racer spielt, nein besser, sie zelebriert, der hat einen ganz simplen Bewegrund: Es sind niedere Instinkte, die uns, das angeblich beste Produkt der Evolution, dazu verleiten, zu einem rücksichtslosen Ignoranten zu werden. Wie von einem unbeirrbaren und allmächtigen Dämon besessen brettern wir mit unseren sündhaft teuren Luxuskarossen über schier endlose Highways, nur, damit der Adrenalinpegel weiter steigt. Damit unser Herz das rasen anfängt, man den Puls im Hals spürt und schließlich erleichtert zur Kenntnis nimmt, das man es schon wieder geschafft hat. Ja, Arcade-Racer oder solche, die sich dafür halten, sind primitiv. Hier braucht es keine ausgeklügelten Spielprinzipchen oder revolutionäre Ideen, der Temporausch alleine reicht schon.

Nur eben hier liegt das größte Problem. So primitiv ein Arcade-Racer funktioniert, so schnell kann er scheitern. Wie schnell so etwas geht, zeigt EA seit geraumer Zeit mit einem erschreckenden Resultat. Anstatt das Rennen an sich und losgelöst vom Rest zu feiern, als wäre es der gottverdammt einzige Grund, warum unsere Spezies diesen Erdball bewohnt, wird etwas von Natur aus Puristisches zu einem Ungetüm aus Tuningpart und virtuellem Schwanzvergleich aufgebläht. Zurück bleiben Rennen, die zu kurz kommen und keiner mehr spielen will.

Auch Test Drive Unlimited versucht sich an diesem unsäglichen Stylefaktor. Zwar weitaus weniger lächerlich als man das von EA mit ihren amateurhaften Zwischensequenzen samt verdammt spätpubertären Dialogen gewohnt ist, dennoch immer noch so präsent, dass man es eher toleriert denn akzeptiert. Das Intro mag mit seiner stark von Oceans Eleven inspirierten Bild- sowie Musikkomposition wenigstens einen Anflug von Ambiente und Stimmung aufbringen, kann aber trotzdem nicht darüber hinweg täuschen, dass so etwas bei einem klassischen Arcade-Racer überflüssig ist.

Wie schon erwähnt versucht euch auch Test Drive Unlimited eine kleine Lektion in Sachen Lebensstil zu erteilen. Mitlerweile scheint sich dieser Gameplay-Askept als Non-Plus-Ultra eingestellt zu haben und so könnt ihr euch für eure Siegprämien nicht nur schicke neue Wagen, sondern auch größere Wohnungen und teure Designer-Klamotten kaufen. Implziert wird mit diesen Möglichkeiten nichts weniger als die simple Formel „du bist, was du hast“. Für manch einen mag darin sicherlich ein erneuter Ansporn bestehen, Kapitalusmusverweigerer und Menschen, deren ihre Besitztümer relativ egal sind, werden von diesem Feature wahrscheinlich weniger angetan sein.

Müssen sie auch nicht. Schließlich entschädigt das satte Brummen eines amerikanischen V8 für diese klischeehaft umgesetzte Design-Sünde. Genau hier ist dann auch der Punkt erreicht an dem Test Drive Unlimited seine komplette Raffinesse ausspielen kann: mag die Extraportion Lifestyle noch für einige Schmunzler sorgen, so fällt ambitionierten Arcade-Fans beim Anblick der erkundbaren Umgebung schier die Kinnladen gen Fußboden. Wo andere Rennspiele Streckenbegrenzungen aufzeigen und den Spieler in seinem unbändigen Vorwärtsdrang stark limitieren, protzt Test Drive Unlimited mit endlosen Highways, Bergpässen, Serpentinen und Strandalleen. Selbst Altmeister GTA muss hier gekonnt seinen Hut ziehen, 08/15-Racer wie Need for Speed Carbon können sich glatt den Gnadenschuss geben. Eden Design präsentiert euch hier nichts weiter als ein komplett erschlossenes und bis in den letzten Winkel per Burn-Out umpflügbares Hawaii.

Wer wirklich jeden Cup, jedes Rennen, jede Herausforderung bestehen will, der hat gut und gerne 100 Spielstunden vor sich. Anfänger dürften davon komplett überfordert sein, gerade weil jede einzelne Herausforderung auf der Karte erst einmal entdeckt werden muss. Trotz dieser unfassbar großen Anzahl von Rennen und verfügbaren Kilometern Asphalt bleibt Test Drive Unlimited trotzdem noch ein reiner Arcade-Racer. So müsst ihr euch wie bei der lieben Konkurenz durch Zeitrennen, Beschleunigungs- und Tempoherausforderungen, sowie klassische Rennen kämpfen um schlussendlich ordentlich Geld zu verdienen. Worin ihr das investieren sollt, dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein.

Unterschiede zwischen Test Drive Unlimited und anderen Genrekollegen lassen sich anfangs zumindest in den Rennen eher schwer ausmachen. Erst mit schnelleren Fahrzeugen und fordernderen Rennserien trumpft Eden Designs Xbox360-Konvertierung richtig auf. Zum einen ist das Tempogefühl einfach phänomenal, zum anderen dürfte eine 200 Kilometer lange Inselumrundung gegen sechs Kontrahenten oder später die Uhr jeden noch so abgebrühten Rennprofi den Puls in Richtung 200 befördern. Wer schon einmal mit 360 Sachen in einem Lamborghini quer durch eine Innenstadt gekonnt auf dem Mittelstreifen dem Verkehr ausgewichen ist, weiß, was ihn ungefähr erwarten dürfte. Adrenalin- und Temporausch gepaart mit der endlosen Weite Hawaiis, das sind die drei großen Pluspunkte von Test Drive Unlimited. Besser konnte dieses Gefühl kaum ein Arcade-Racer in den letzten Jahren vermitteln.

Die grafische Aufbereitung des kompletten Renngeschehens sowie der Umgebung kann zwar nicht durch eine künstlerisch anspruchsvolle Umsetzung auftrumpfen, bietet dafür aber alle nur erdenklichen Grafik-Features, die aktuell auf dem Markt zu finden sind. Kombiniert wird diese Effekthascherei noch mit einer sehr individuell designten Landschaft, welche anhand ihrer äußeren Merkmale durchaus Landschaftsunterschiede erkennen lässt. So variieren Vegetation und natürlich auch Städtebau je nachdem, ob man gerade durch eine der wenigen Städte fährt oder eine kleine Landtour durchs Unterholz macht. Euer treuer Untersatz wird dabei übrigens sehr real nachgebaut und verfügt über ein eigenes 3D-Cockpit.

An einer Stelle entwickelt sich die exorbitante Größe leider zum empfindlichen Stolperstein: insgesamt vier Rennmodi werden geboten, dazu kommen noch Zusatzmissionen für das Überführen eines Autos oder die Mitnahme eines Anhalters, das wars dann aber auch schon. Mögen die weiten Strecken Hawaiis noch so spektakulär wirken, irgendwann bilden sie eine gewisse Antithese zu der recht geringen Anzahl von Rennmodi. Mögen die Rennen auch noch so spannend inszeniert sein, irgendwann hat sich die x-te Zeitherausforderung einfach abgenutzt. Irgendwann verlangt der Arcade-Fan nach mehr.

Solisten werden jetzt das Nachsehen haben. Mehr wird nämlich einfach nicht geboten. Multiplayer-Freunde können jedoch noch weitaus mehr erreichen. Wer will, kann nämlich seinen eigenen Club aufbauen, Freunde einladen, Wettbewerbe starten und so seine Solo-Karriere online ausleben. Dafür sollte man sich aber schon tunlichst vorher eine Gamespy-Arcade-ID besorgt haben. Wer sich nachher für den Online-Modus freischalten will, der darf dann wieder bei Null anfangen. Schlecht designt und für mich der Grund, warum ich nur wenig online gespielt hab.

Fairerweise muss man aber auch hier gestehen, dass erste Abnutzungserscheinungen nach 30 bis 40 Spielstunden auftreten werden. Mehr Zeit als ich zum Beispiel mit allen Underground-Teilen zusammen verbracht habe. Wo meine getunten Karren bei Need for Speed also schon wieder in der Garage standen, brause ich bei Test Drive Unlimited immer noch mit meinem Jaguar E-Type quer durch die Landschaft, im Vordergrund das herrliche Geräusch englischer Ingenieurskunst, dezent im Hintergrund ein Ausschnitt aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“. Apropos Tuning: Ja, es ist vorhanden, nein, es kommt keinem Shopping-Orgasmus gleich. Drei Stufen gibt es, nicht für jedes Fahrzeug und auch ohne optischen Einfluss, dafür mit spürbaren Einschnitten im Fahrverhalten. Mal sind diese positiv, mal negativ. Mein hoch gezüchteter TVR z.B. beschleunigt zwar wie wahnsinnig von 0 auf 100, ist dafür schlechter zu kontrollieren als ein Stück Seife in der Badewanne.

Ein klein wenig Realismus im Bereich Fahrverhalten kann eben auch einem Arcade-Racer nicht schaden. Gutes Tempogefühl, schicke Autos, endlose Asphaltpiste sowie ein Geschwindigkeitsrausch nach dem anderen sind jedoch Pflicht, zumindest seitdem Test Drive Unlimited erschienen ist. EA sollte sich fürs nächste Need-for-Speed-Update also eine Menge einfallen lassen.

P.S.: Hawaii ist groß, braucht also auch einen großen Rechner. Darüber hinaus ist Hawaii, wenn auch 50. Bundeststaat der USA, eine Inselstaat mit Problemem und Konflikten, deswegen mag es auch nicht auf jedem Rechner problemlos laufen. Bei mir machte es keine Probleme, andere klagen jedoch über Abstürze und eine schlechte Performance.

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